Das Vereinsleben heute

  Eine Ehrengarde hat zu repräsentieren, sich akkurat darzustellen und bei ihren Auftritten einheitlich dazustehen - für überzeugte Gardisten Ehrensache.  Aber mit der Mitgliedschaft in der Ehrengarde übernimmt ein junger Mann darüber hinaus eine Reihe festgefügter Pflichten: er muss Mitglied im Bürgerschützen-Verein Sassenberg sein, sonst kann er nicht aufgenommen werden.  Also ist sein Erscheinen auch bei den Generalversammlungen des "Mutter-Vereins" Vorschrift.  Mehr noch: die oberste Pflicht eines Ehrengardisten ist die Teilnahme am Fest.  Wer das versäumt, der kann sogar aus der Ehrengarde ausgeschlossen werden.  Allerdings kommt diese Satzungs-Regel eigentlich nicht zum Vollzug - das Fest ist ein zu hoher Feiertag, als dass ihn ein Gardist freiwillig ausfallen ließe.

Doch das Vereinsleben besteht für die Mitglieder nicht ausschließlich aus Pflichtaufgaben.  Die Zusammengehörigkeit und Kameradschaft über das Schützenwesen hinaus bestimmen das Vereinsleben dieser Ehrengarde.  Der Auftritt beim Schützenfest oder dem Kreisehrengarden-Treffen ist wichtig, aber er ist nicht das alleinige Ziel dieser Gemeinschaft.  Die Gardisten halten untereinander engen Kontakt, pflegen Freundschaften zu anderen Vereinen und haben ein engeres Gemeinschaftsgefühl, als es beispielsweise in einem so großen und mitgliederstarken Verein wie dem der Bürgerschützen aufkommen kann.

Die Stellung der Ehrengarde im Bürgerschützen-Verein ruht auf zwei Säulen: einerseits die Selbständigkeit mit eigener Satzung und eigenem Vereinsleben, andererseits die Bindung an die Bürgerschützen.  Deutlich wird dies am Ehrengarde-Vorstand.  Der Kommandeur wird alle drei Jahre neu bestimmt und außerdem sind mit dabei: Zugführer, Kassierer, Schriftführer, zwei Beisitzer, davon einer mit der Funktion»Jugendsprecher«.  Sie alle werden natürlich von den Mitgliedern der Ehrengarde gewählt - der Vorstand der Bürgerschützen jedoch muss den Kommandeur bestätigen.  Keine direkte Mitsprache aber zumindest Einfluss. 

   

Das Abholen der Majestät am Montagmorgen, hier (Bernhard Beile, 1987) gehört zu den vielen Pflichten einesjeden Ehrengardisten.

 

Umgekehrt kommt der jedoch genauso zustande, denn der Kommandeur ist automatisch Mitglied im Vorstand der Bürgerschützen.  Somit ist die Garde durchaus direkt a n den Geschicken des Bürgerschützen-Vereins beteiligt.

Trotz dieser Gemeinsamkeiten legen die Gardisten Wert auf ihre Eigenständigkeit. Sie führen ein eigenes Vereinsleben neben dem des Bürgerschützen-Vereins, wählen wie geschildert ihre eigene Führungsriege, haben eigene Statuten und sind sich selbst verantwortlich.  So bestimmen sie beispielsweise eigenständig über die Bedingungen ihrer Mitgliedschaft.  Und die haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in ihrem Charakter durchaus verändert.

Zunächst war mit dem 30.  Geburtstag unwiederbringlich auch das Ende der Zeit als Ehrengardist gekommen. Mittlerweile können Mitglieder fünf Jahre länger dabeibleiben.  Und die Kann-Vorschrift "ledig", auf die in den Gründungsjahren eiserner Wert gelegt wurde, ist mittlerweile komplett gefallen.  Die Hochzeit eines Gardisten gilt nicht mehr wie einst als Stigma, sondern als freudiges Ereignis.  Das Spalierstehen der Kameraden ist äußerliches Zeichen für diesen Wandel.

Natürlich ist dieser intern begründete Auftritt nur ein winzig kleiner Ausschnitt aus dem Programm der Garde.  Sie ist nicht nur bei den Kreistreffen Aushängeschild Sassenbergs, sondern übernimmt bei etlichen öffentlichen Terminen der in der Hesselstadt eine repräsentative Rolle.  Hinzu kommen Treffen wie Übungstermine, Arbeitseinsätze und natürlich die Vereins-Versammlungen.

Oder zum Beispiel die Schieß-Termine. Sonntagmorgens kommen die Gardisten in ihrer Halle zusammen, um dort zu trainieren.  Dass dabei die Geselligkeit und der regelmäßige Informationsaustausch im Clubraum nicht zu kurz kommen, ist selbstverständlich.  Nur einmal im Monat, da ist das Schießen ein Pflichttermin.  Vergleichs-Schießen gibt es mit vielen anderen Vereinen.  Die Kontakte zwischen den Gruppen werden zwischenzeitlich intensiver, nehmen dann aber auch wieder ab.  Einzig das Vergleichs-Schießen mit den Pluggendorfer Jägern bleibt auf einem gleich hohen Niveau.

Rund zehnmal im Jahr geht es auf die Marschprobe.  Immer dann, wenn ein wichtiger Auftritt bevorsteht, wie beim Ehrengarden-Treffen oder dem Jahresfest, muss dieser Auftritt geübt werden.  Neue Mitglieder müssen sich einfügen und die alten ihre Fähigkeiten wieder auffrischen - zuweilen eine nicht ganz einfache Aufgabe für den jeweils amtierenden Kommandeur.  Gleichschritt, Gewehrhaltung und vor allern ein einheitliches Erscheinungsbild müssen einstudiert werden.  Aber natürlich bleibt bei all diesen Übungen der Flachs nicht außen vor - wenn die Marschmusik schon aus dem Kassetten-Recorder tönt ...

  Selbstironie ist den Gardisten nicht fremd. Und so versteckten sie diese skurril anmutende Übung nie.  Das brauchen sie offenbar auch überhaupt nicht, denn die ironischen Bemerkungen von den Kollegen anderer Garden wurden rasch zur Einsicht.

Wegen der guten Ergebnisse der Sassenberger haben einige benachbarte Garden dieses Ritual zumindest zeitweise übernommen - mit wechselndem Erfolg.

Der Kontakt mit befreundeten Vereinen hat für die Garde einen großen Stellenwert.  Da sind nicht nur die Vergleichsschießen oder die Herrenabende mit den anderen regelmäßigen Teilnehmern des Ehrengarden-Treffens, immer wieder gab es auch Fußball- und andere Sportturniere. 1991 stand die Geselligkeit ganz hoch im Kurs, als Gardisten und Schützenbrüder gemeinsam nach Lindenberg im Allgäu reisten.  Ein Kontakt, den eigentlich das Blasorchester hergestellt hatte.  Besonders starke Verbundenheit gibt es mit den Pluggendorfer Jägern in Münster.

Ein besonderer Jux ist das sogenannte "Ständerrollen".  Anfang der 80er Jahre kam die erste dieser Aktionen zustande, als der schwere Fahnenständer nach Marienfeld für das dortige Kreistreffen gerollt wurde.  Zwar schlief die Aktion für einige Zeit wieder ein, doch 1991, als das Kreistreffen wieder in Marienfeld stattfand, wurde sie fast schon zum festen Bestandteil der Vorbereitungen.  Flachs und Spaß treiben dabei bunte Blüten.  Für die größte Überraschung sorgten 1994 die Kollegen aus Beelen.  Sie hatten sich den Ständer ausgeliehen und versprochen, ihn für den »Tag der Offenen Türe« zur Einweihung der renovierten Schützenhalle zurückzubringen.

Sehnlichst von den Ausrichtern erwartet,rückten sie einige Stunden vor den Besuchern an und führten Metall-Gestelle mit, die sich jedoch nur mit viel Wohlwollen als Ständer wiedererkennen ließen.

Nervöse Blicke bei den Sassenbergern und absolute Ruhe bei den Beelenern.  Die begannen trotz aller hektischen Nachfragen ganz gelassen mit der Montage der Einzelstücke.  Erst als diese Arbeit offenbar überhaupt nicht mehr voran kam, und die Sassenberger immer ungeduldiger wurden, lösten sie den Ulk auf: die Montageteile waren eigens angefertigt.  Der intakte Ständer wartete hinter einer Mauerecke.

Verbundenheit mit anderen Vereinen ist eine Sache - die Verbundenheit untereinander steht dahinter nicht zurück.  Musste ein Gardist früher die Gemeinschaft verlassen, sobald er in den Stand der Ehe trat, stehen ihm seine Kameraden mittlerweile sogar bei - vor der Kirche gibt es stets ein Spalier und bei der Feier überreicht eine kleine Abordnung das Geschenk.  Darüber hinaus: kaum ein Gardist feiert die Verlobung oder den Geburtstag ganz ohne die Kameraden.  Hinzu kommen die internen Feiern und Ausflüge: 1993 und 1995 dauerten diese sogar gleich zwei Tage, als es nach Aachen bzw. nach Suhl ging.  Die vom fünfköpfigen Festausschuss organisierten Rad- und Planwagentouren sind zwar stets für einen Tag, doch nicht minder beliebt.  Dass sie wie etwa interne Tanzveranstaltungen oder Vogelschießen mit den Partnerinnen ausgeführt werden, trägt sicher ebenfalls zum geselligen Miteinander bei.

Überhaupt haben die Gardisten keinerlei Angst vor dem "schwachen" Geschlecht.  Nur wenn es gegen die "Kugelbienen", die Partnerinnen der Ehrengardisten geht, dann kommt Konkurrenz auf - zumindest für die Zeit des Schießwettbewerbes.  Doch der steht bei diesen Treffen eigentlich im Hintergrund.  Für die "Flintenweiber", die Königinnen und Frauen der Vorstandsmitglieder im Bürgerschützen-Verein, stehen die Gardisten bei deren Schießveranstaltungen stets als Betreuer und Gastgeber bereit.

Bei offiziellen Anlässen prägt die Garde oft durch ihr repräsentatives Äußeres das Bild.  Ob nun bei Stadtjubiläen oder denen von Vereinen, am Volkstrauertag oder dem Umwelttag, ob bei der feierlichen Einweihung von neuen Straßen oder beim Friedenstag - die Ehrengarde ist stets präsent.

Und wer sie nicht live auf der Straße sehen kann, zu dem kam sie im August 1995 sogar per TV in die Wohnstube: bei der Musiksendung "Kein schöner Land" sorgte die Garde für typisch westfälisches Gepräge.  Die Gardisten übernehmen solche Aufgaben gerne.  Sie wissen um die Repräsentation des Schützenwesens und stehen zu der Verbundenheit mit Stadt und Vereinen.

Die Ehrengarde Sassenberg und der berittene Fanfarenzug Freckenhorst bei den Aufnahmen zur ARD-Sendung "Kein schöner Land" im Sommer 1995 auf dem Warendorfer Marktplatz.

Vereinsleben bedeutet jedoch auch Arbeit - gerade bei der Ehrengarde.  Stichwort Eigenleistung: Da ist zum einen die Renovierung des Pavillons zum Jubiläum des Schützenvereins 1989, was gewissermaßen das "Geschenk" der Ehrengarde darstellte.

Und da ist natürlich die mehrmalige Renovierung der Schützenhalle, wo nach und nach auch die Schießanlage entstand, so wie sie sich heute präsentiert.  Dass die Garde den Schützenplatz vor dem Jahresfest säubert, das gehört schon zum Standard-Repertoire.

Aber natürlich gibt es wie in jedem Verein auch das "amtliche" Vereinsleben.  Am Beginn eines jeden Jahres steht die ordentliche Generalversammlung mit der üblichen Tagesordnung und den Wahlen.  Eine Besonderheit bei der Ehrengarde: die Aufnahme neuer Mitglieder.  Denn die müssen zunächst ein Anwärter-Jahr absolvieren bevor sie zu ordentlichen Mitgliedern werden können.

Eine besondere Rolle kommt der Garde auch beim Schützenfest selbst zu.  Schon traditionell ist der Samstag der Tag der Ehrengarde.  An ihm hat ihr Kommandeur das Kommando über den gesamten Verein.  Imposant auch das Auftreten der Garde beim abendlichen Zapfenstreich.  Weitere Aufgaben der Ehrengarde sind die Begleitung der Fahne und das Tragen des Vogels.

Am Sonntag dann wartet das Hampelmannschießen, bei dem die Garde Regie führt.  Außerdem müssen die Gäste von den Pluggendorfer Jägern betreut werden.

Der Montag steht auch für die Garde ganz im Zeichen der Königswürde.  Sie ist dabei, wenn ab 6.30 das alte Paar abgeholt wird und zählt stets zu den ersten Gratulanten des neuen Regenten.  Den begleitet sie traditionell auf dem Weg von der Vogelstange zur Thronbesprechung.  Zusätzlich aber gibt es eine kleine interne Veranstaltung.  Dabei werden Orden für vier-, sieben- und zehnjährige Mitgliedschaft in der Ehrengarde vergeben, sowie einer für besondere Verdienste.  Den letzten offiziellen Auftritt haben die Gardisten dann gegen 23 Uhr mit der Gratulation für das neue Königspaar und seine Throngesellschaft.  Anschließend wird im kleinen Kreis kräftigst gefeiert - übers Jahr angesammelte Strafgelder wollen "verbraucht" werden, Ordensverleihungen sind gebührend zu begehen und auch kleinere "Disziplinarverfahren" abzuhandeln.

 

 

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Letztes Update: Montag, April 21, 2008