n dieser ersten Besprechung wurde wohl auch schon das Festdatum genannt, nämlich der
9. Juni, d.h. der Dienstag nach Pfingsten.
ürgermeister von Schücking reichte die Bitte zwei Tage später an die zuständige
höhere Instanz, den Warendorfer Landrat als Chef der Polizeibehörde, weiter.
Sassenberg, den 24. Mai 1840
Es hat sich hier im Orte ein Verein gebildet, welcher um die
Erlaubnis bei uns eingekommen ist am 9ten Juni c. ein Schützenfest (Vogelschießen)
halten zu dürfen.
us dem Schreiben geht weiter hervor, daß sich in der Anlage die
"Statuten dieser Gesellschaft" befanden, die vor allem die Verantwortlichkeit
des Vorstandes für das sittliche Betragen der Festteilnehmer und für die
Sicherheitsvorkehrungen beim Schießen garantierte. Leider sind diese ersten Statuten
nicht erhalten. Aus den zitierten Schreiben geht deutlich hervor, daß die Sassenberger
Vereinsgründer nicht die Absicht hatten, militärischen Geist und Wehrfähigkeit zu
fördern oder Oberhaupt altes Schützenwesen neu zu beleben, sondern daß es
ausschließlich Ziel und Zweck der Mitglieder war, ein Fest nach der Art des andernorts
üblichen Vogel- oder Königschießens zu feiern. Es waren lediglich die stringenten
Vorschriften der Ordnungsbehörden, die dafür überhaupt eine Vereinsgründung
verlangten. Dementsprechend waren abgeleisteter Wehrdienst oder auch nur geringe
Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit der Schußwaffe keine Voraussetzung für die
Mitgliedschaft.
us diesen Gründen könnte man statt vom Sassenberger Schützenverein
treffender vom "Schützen f e s t verein" sprechen.
iesen Umstand hatte auch wohl der Landrat erkannt, wenn er den neuen
Sassenberger Verein nicht als "wirkliche Schützengesellschaft" bezeichnen
wollte und deshalb besondere Sicherheitsauflagen machte.
Herrn Bürgermeister von Schücking
Ew. Hochwohlgeboren eröffne ich auf den Bericht vom 24. d.
dessen Anlage zurückerfolgt, daß ich zu dem am 9. k. Mts dort beabsichtigten
Schützenfest die Genehmigung nur unter der Bedingung ertheile, wenn entweder statt
des Vogelschießens ein Scheibenschießen stattfindet oder, wenn beim
Vogelschießen der Stand der Schützen möglichst nahe bei der Vogelruthe etwa
höchstens fünfzehn Schritte von derselben bestimmt wird, weil die nach der Anlage
zusammengetretenen Teilnehmer als "wirkliche Schützengesellschaft" nicht
angesehen werden darf. Daß bei dem Schießen allen Bestimmungen der
Bekanntmachung vom 31. Mai 1828 Amtsblatt Seite 219 genau nachgekommen werde, darauf haben
Sie sorgsam zu achten, und dem Vorstand der zuerst für dieses Jahr
zusammengetretenen Gesellschaft deren Befolgung protokollarisch einzuschärfen.
Warendorf, den 25. Mai 1840
Der Landrath
m darauffolgenden Sommer 1841 hatte inzwischen Bürgermeister Wessel
die Nachfolge Schückings angetreten. Sein die Bitte des Schützenvereins weiterleitendes
Schreiben wirft nochmals ein Licht auf das Gründungsdatum, wenn es heißt:
Die im vorigen Jahre zuerst zusammengetretene Schützen-Gesellschaft
dahier ist bei mir darum eingekommen, am Dienstag,
den 1. Juli d. J. ihr 2tes Schützenfest mit einem Vogeischießen pp.
verbunden abhalten zu dürfen.
ach den eindeutigen Aussagen der historischen Quellen, daß der
Sassenberger Schützenverein im Mai 1840 gegründet worden sei, bleibt unklar, woher die
Auffassung vom Gründungsjahr 1839 rührt; denn daß das erste Schützenfest auch erst
1840 gefeiert wurde, ist unbestritten. In diesem Zusammenhang ist ferner festzustellen,
daß man weder das Jahr 1889, noch das Schützenfest von 1914 zum Anlaß für ein 50- bzw.
75-jähriges Jubiläum genommen hat. Auch von späteren "runden" Jahren nahm
niemand im Verein Notiz. Man propagierte das angebliche Alter des Vereins zum ersten Mal
in der Nazizeit, indem man zum Schützenfest des Jahres 1934 ein 95-jähriges Bestehen
behauptete und das 100jährige Jubeltest für das Jahr 1939 avisierte.
n der Festschrift von 1939 heißt es lapidar:
"Das
Gründungsjahr ist 1839. Diese Feststellung stützt sich auf die Aussage des Fabrikanten
Christian Rath, Sassenberg, geb. 30. Mai 1835, gest. 6. Dezember 1927. Er
hat bei seinen Ansprachen auf den Schützenfesten stets darauf hingewiesen, daß
der Verein im Jahre 1839 gegründet worden sei und daher 1939 das hundertste Stiftungsfest
begehen könne."
ine unbewiesene Behauptung, die auch von der Festschrift zum
125-jährigen Jubiläum ungeprüft übernommen wurde. Christian Rath war zur Zeit der
Abfassung der Geschichte des Vereins bereits über ein Jahrzehnt verstorben. Der Verfasser
August Fennenkötter hat ihn persönlich nie gesprochen; das Gründungsdatum ist ihm bei
seinem Auftrag offenbar als unumstößlich vorgegeben worden. Die Akten des Kreisarchivs
Warendorf und des Staatsarchivs Münster hat er nicht einsehen können.
nverständlich bleibt auch, weshalb es niemanden stutzig gemacht hat, daß auf dem Schützenfest 1909, im angeblichen siebzigsten Gründungsjahr, feierlich eine
neue Fahne geweiht wurde, auf der (bis heute) deutlich zu lesen ist:
"Bürgerschützenverein Sassenberg, gegr. 1840." Ebenso zeigte die alte
Standarte der Ehrengarde als Gründungsdatum des Vereins die Jahreszahl 1840; wie
unbestechliche Fotos beweisen, wurden zum 100jährigen Jubiläum die (im Gegensatz zur
gestickten Fahne) nur aufgemalten Ziffern der Jahreszahl 1839 überpinselt und in 1840
verändert. Ein Grund für diese Veränderung ist nirgends zu sehen.
rotzdem braucht der Bürgerschützenverein seine
Jubiläumsfeierlichkeiten nicht zu verschieben. Das oben zitierte Gesprächsprotokoll vom
22. Mai 1840 spricht immerhin davon, daß vor der Antragstellung die "nöthigen
Vorkehrungen" getroffen worden seien; d.h. es mußte eine Gründungsversammlung
einberufen, ein Vorstand gewählt und Statuten entworfen, redigiert und verabschiedet
werden. Dies läßt die Möglichkeit glaubhaft erscheinen, daß der eigentliche
Gründungsakt doch schon im Jahre 1839 stattgefunden hat und die überlieferten Aussagen
Christian Raths wirklich von ihm gemacht worden sind.
a er zum Zeitpunkt der Gründung ein vierjähriger Knirps war und
demnach die gesamte Gründungsgeneration noch kennengelernt hat und seit 1867 selbst im
Vorstand tätig war (wahrscheinlich als Schriftführer), müßte er bestens informiert
gewesen sein. Schließlich läßt auch die Formulierung der Einladung zum Schützenfest
1840, die nicht vom Vorstand, sondern vom Festwirt ausgesprochen wird und in der nicht vom
ersten, sondern vom "diesjährigen" Schützenfest die Rede ist, den Schluß zu,
daß bereits im Vorjahr 1839 unter der Regie des geschäftstüchtigen Wirtes und mit
demselben Publikum ein inoffizielles, d.h. nicht angemeldetes Schützenfest stattgefunden
hat.
emnach hätten wir es mit zwei Überlieferungen zutun: einer auf
behördlichen Akten beruhenden und einer überwiegend mündlichen, vereinsinternen
Tradition. Der Bürgerschützenverein Sassenberg wird daher nicht unberechtigt im Juli
1999 sein 160-jähriges Bestehen feiern und wegen einer zweifelhaften Spanne von vier
Monaten nicht mit einer Jubiläumstradition brechen, die ihrerseits schon in der dritten
Generation gepflegt wird und geachtet zu werden verdient. Wir wünschen, daß unsere
Söhne und Töchter im Jahre 2039 in Freude und Eintracht auch das 200-jährige Jubiläum
des Bürgerschützenvereins Sassenberg feiern.