as Schützenwesen existierte in vielen Ländern Europas und reicht
auch in Westfalen weit zurück, - weiter als die schriftlichen Überlieferungen, die
immerhin ins 13.Jahrhundert zurückführen. Auch das Vogelschießen und die Schützenfeste
haben eine Jahrhunderte alte Tradition. Im Gegensatz zum 19. und 20. Jahrhundert, in dem
die Schützenvereine ausschließlich der Freude und der Geselligkeit dienten und die Feste
ruhige Zeitläufe und einen gewissen Wohlstand voraussetzten, so dass bei Krieg und
sonstigen Notzeiten Schützenvereine sich auflösten, zumindest aber keine Schützenfeste
abgehalten wurden, waren die Vereinigungen der Schützen ursprünglich ausgesprochene
Notgemeinschaften.
war gab es für die seit der Zeit Karls des Großen in der Mehrzahl
hörigen Bauern keine Heerbannpflicht mehr, da nur noch die adeligen Ritter und
Dienstmannen in den Krieg zogen, aber zur Abwehr räuberischer Überfälle und Verfolgung
von Verbrechern und Banden wurden die Eingesessenen einer Bauernschaft oder eines
Kirchspiels immer noch zur Landwehr aufgerufen. Anfangs nur mit Spieß und Speer
bewaffnet, wurden sie seit dem 15. Jahrhundert im Gebrauch der Armbrust und später auch
der Feuerwaffen geübt. Selbst wenn die schriftliche Überlieferung schweigt, kann man
für jede Bauernschaft und jedes Kirchspiel eine solche behördlich angeordnete
Selbstschutzvereinigung (dies ist die ursprüngliche Bedeutung des Schützenvereins)
annehmen.
ft waren die Schützenvereine auch mehr als weltliche Vereine und
dienten nicht nur militärischen Zwecken. Als kirchliche Bruderschaften pflegten sie
gemeinsames Gebet und Gottesdienst, begleiteten ihre Toten mit der Vereinsfahne und in
geschlossenem Aufzug zum Grabe, ließen Seelenmessen lesen und feierten das Fest ihres
Schutzpatrons, der dem Schützenverein den Namen gegeben hatte und meist mit dem Patron
der Ortskirche identisch war.
as regelmäßige Exerzieren mit der Waffe und die stete
Bereitschaft waren natürlich eine lästige Aufgabe. Man entschädigte die
Landwehrpflichtigen durch ein alljährliches Schießen nach dem Vogel auf der Stange und
ein anschließendes Fest der Schützen, zu welchem der Landesherr nicht selten ein
Fässchen Bier spendierte.
eit dem 16. Jahrhundert nahm die militärische Bedeutung der Schützen
mehr und mehr ab, da sich die Landesherren immer ausschließlicher auf ihre Söldnerheere
verließen. Die Schützenfeste aber wurden beibehalten und entwickelten sich fern ihres
ursprünglichen Zwecks zu dörflichen Zusammenkünften, auf denen das Essen und Trinken
(um kein stärkeren Ausdruck zu gebrauchen) Hauptsache wurden.
ie Entwicklung in den Städten verlief ähnlich. Auch hier waren die
Schützenvereine abrufbereite Wehrgemeinschaften und eigentlich so alt wie die
Befestigungsanlagen der Stadt, die sie zu schützen hatten. Vielfach lehnten sie sich die
Organisation der Zünfte an. Je weiter die Kriegstechnik sich entwickelte, desto teurer
waren die Waffen und desto häufiger musste geübt werden. Dies konnten sich auf die Dauer
nur die Besitzer von Haus und Grund, d.h. der begüterte bürgerliche Mittelstand,
leisten. Sie schlossen sich als Bürgerschützen zu Schützengesellschaften zusammen, die
miteinander um Vornehmheit konkurrierten.
pätestens mit dem Aufkommen der schweren Feuerartillerie waren sie
militärisch überflüssig und wurden seit dem 18. Jahrhundert nur noch gelegentlich für
polizeiliche Aufgaben (z.B. als Flur- und Feldschützen und zur Abwehr sozialer Unruhen)
und zu so genannten Ehrendiensten bei verschiedenen offiziellen Anlässen (z.B.
Begräbnissen, Prozessionen und Besuchen hochgestellter Persönlichkeiten) herangezogen.
n der Stadt wie auf dem Lande starb also die militärische Tradition
der Schützenvereine ab; erhalten blieb eine Tradition der ursprünglich peripheren
Bräuche, vor allem die des Schützenfestes, das sich vielerorts zum Höhepunkt des
gesellschaftlichen Lebens einer Gemeinde entwickelte. Es war und blieb aber zunächst eine
reine Männerangelegenheit, auf der Frauen und Kinder nichts zu suchen hatten und das eher
exklusiven als Volksfestcharakter hatte. Was ursprünglich als Ausgleich und Belohnung
für einen mühevollen, bisweilen auch lebensgefährlichen Einsatz gedacht war, nämlich
deftiges Essen und Trinken in dieser Männerrunde, die dadurch auch zu stärkerer
Kameradschaft und Kampfbereitschaft gebracht werden sollte, artete mancherorts in
Fressorgien und wilde Saufgelage aus. So genoss das Schützenwesen gegen Ende des 18.
Jahrhunderts kaum das Wohlwollen der Behörden.
n der Franzosenzeit wurden die Vereinigungen, falls sie nicht von
selbst eingeschlafen waren, verboten bzw. in Überschätzung ihres militärischen Wertes
aufgefordert, alle Schusswaffen abzuliefern. Als man in den zwanziger und dreißiger
Jahren des vorigen Jahrhunderts daranging, Schützenvereine neu zu gründen, geschah dies
vielleicht in Bewußtseinsmäßiger Anknüpfung an frühere Schützenvereinigungen oder
Bruderschaften, eine personelle oder organisatorische Kontinuität gab es kaum.
n Sassenberg hat vor Gründung des Schützenvereins im Jahre 1839/40
keine vergleichbare Vereinigung existiert. Dies ergibt sich aus der Geschichte des Ortes,
der im Mittelalter ein aus der Bauernschaft Gröblingen herausgeschnittenes, nahezu
unbesiedeltes fürstbischöfliches Hoheitsgebiet mit landesherrlichen
Verteidigungseinrichtungen war. Als es Ende des 17. Jahrhunderts zur Besiedlung
freigegeben und ein eigener Pfarrsprengel wurde, war das Schützenwesen längst
rückläufig und existierte nur noch in der geschilderten rudimentären Form des
Schützenfestfeierns.
ie Gründung des Schützenvereins in Sassenberg hat also mit dem
eigentlichen Schützenwesen nichts zu tun, und der später aufkommende Name
"Bürgerschützen-Verein" ist gewählt worden, um den alle Stände und Klassen umgreifenden Charakter des Vereins als eines Vereins für alle Bürger (= Einwohner) zu
unterstreichen und das Schützenfest zu einem Volksfest werden zu lassen, das sich
unbedingt auch die unteren Schichten leisten konnten, während die ursprüngliche
Bezeichnung das genaue Gegenteil, nämlich Exklusivität ausdrückte.